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Matthias Lackner, Wolfgang Ladenbauer, Alexis Thiard Laforest, Eugen Guido Lammer, Otto Langl, Sepp Larch, Ewald Lettner, Kurt Leuchs, Rudolf Leutelt, Hannes Lexer, Stefan Lieb-Lind, Vera Marie Lindenberg, Fritzi & Charly Lukan, Alek Lwow

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Matthias (Hias) Lackner, geb. am 14. 10. 1984  in Klagenfurt, lebt in Döllach, Kärnten; Volksschule Heiligenblut, BRG Lienz, mehrjähige Tätigkeit im Maschinenbau, seit 2009 im Bergrettungsdienst, seit 2018 Berg- & Schiführer; Ausbildner der Bergrettung & des Schischulverbandes Kärnten sowie im Universitäts-Sportinstitut Klagenfurt; „Unerschöpf-liche Liebe zu den Bergen!“ Tourenbericht: Touren Hias Lackner

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Wolfgang Ladenbauer,

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Alexis Thiard Laforest, ÖAK-Präsident 1878-1879; mehr unter ÖAK-Präsidenten

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Lammer um 1890Eugen Guido Lammer, 1863 – 1945 (ÖAK-Ehrenmitglied, Mitglied ab 1884):
Er ist der wohl am meisten missverstandene und fehlinter-pretierte Bergsteiger der Epoche an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. „Jessas – das ist ja der mit dem ‚Durst nach Todesgefahr‘!“ – wird er vielfach auf einen einzigen seiner Aussprüche reduziert. Dabei war der Vordenker und die Leit- figur der „Führerlosen“ nur ein wenig der Zeit voraus, als Gymnasialprofessor gefüllt mit deutscher Literatur, sprach-mächtig und zuweilen übersteigert formulierend: „Rot glühend lohte in meinem Busen die Sehnsucht nach alpiner Tat, unlöschbar der Durst nach Todesgefahr. Ich war entschlossen, das Höchste zu wagen, das Leben jederzeit hinzuwerfen wie einen zerbrochenen Bergstock“. Unter seiner geisti- gen Schirmherrschaft hat sich das führerlose Bergsteigen – eine Revolte in einer Epo- che, in der man meist mit Bergführern unterwegs „zu sein hatte“ – zur alpinen Welt- anschauung ausgewachsen. Darüber hinaus propagierte er noch eine Steigerung: das Alleingehen. Selbst auf Gletschern sei eine Art Über-Bergsteiger (Zeitgenossen Nietzsche und Freud lassen grüßen!), durch entsprechendes körperliches und mentales Training in der Lage, mit allen Gefährdungen fertig zu werden. Ein überlebter 200-Meter-Sturz im Penhall-Couloir der Matterhorn-Westwand und die vom Glück be- günstigte Selbstrettung nach einem bösen Spaltensturz im Ortlergebiet mögen ihn be- stätigt haben. Der exzellente Stil, in dem er die Gefahr als „Nervenpfeffer“ verherrlichte, weckte die jugendliche Begeisterungsfähigkeit mehrerer Bergsteigergenerationen. Ganze Heerscharen von Physiologen, Psychologen und Molekularbiologen, die derzeit bis in den letzten Sporthauskatalog herumgeistern, bezeichnen dies als „ultimativen Adrenalinkick“ und meinen im Grund genau dasselbe – nur selbstverständlich auf höherem wissenschaftlichen Niveau.
Auf Grund mancher seiner zeitbezogen pathetischen, nun überdreht wirkenden Formu-lierungen wollte man ihn später als Guru einer nationalistischen Opferreligion verein-nahmen. „Übermenschentum“ Männlichkeits- und Elitekult sowie ähnliche äußerliche Komponenten seiner Schreibe mögen auch oberflächlich dazu verleiten, ihn als einen geistigen Wegbereiter einer totalitären Ideologie zu sehen, was jedoch gänzlich falsch ist. Er war im Gegenteil von tiefem Humanismus erfüllt, ein Querdenker, Oppositionel- ler und Streiter für Gerechtigkeit. Aus Ekel über die Einführung des „Arierparagrafen“ verließ er den Alpenverein und trat demonstrativ der aus dem AV ausgeschlossenen Sektion „Donauland“ bei, die hauptsächlich aus jüdischen Mitgliedern bestand. Als scharfsinniger Denker hat er auch manchen Irrweg des Alpinismus vorausgeahnt und bekämpft. Sein Kulturpessimismus nahm die Ansichten mancher Grün-Fundamenta-listen um siebzig Jahre vorweg und wirkt oft bestürzend prophetisch.
Buchtipp für jüngere Alpinisten: Ruhig einmal ausprobieren, seine alte Schwarte „Jungborn“ (1923)! Und lest gleich darauf Mark Twight’s „Steig oder stirb“ aus dem Jahr 2011 – da habt ihr hundert Jahre später den gesamten Lammer wieder, eins zu eins: Den wütenden jungen Mann und alpinistischen Grenzgänger, der auf alle Her- kömmlichkeiten und Konventionen pfeift, wie etwa Plaisir-Routen oder Katalogberg-steigen, der in neue psychische Räume vordringt, Steigerungen der Dimensionen des Alpinismus nur mehr im mentalen Bereich erkennt.
Übriges – der oft als „selbstmörderischer Gefahrenbergsteiger“ geschmähte Lammer war in diesem Metier eigentlich nicht erfolgreich: er starb zweiundachtzigjährig fried- lich im Bett.
Neutouren u.a.:
Wiesbachhorn SW-Wand 1889, allein
Großvenediger NW-Wand 1891, allein
Thurwieserspitze N-Wand 1893, allein
Großglockner, Glocknerkamp 1893, allein
a.m.

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Otto Langl, ÖAK-Präsident 1932-1938 und ÖAK-Ehrenmitglied; mehr dazu unter ÖAK-Präsidenten

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Sepp Larch,

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Ewald Lettner, Berg- & Schiführer, Landesverband Steiermark, stammt aus Mitterbach bei Mariazell, lebt in Graz …

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Kurt Leuchs, Rudolf Leutelt,

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_MG_9269Hannes Lexer, Berg- & Schiführer, geb. am 14. 11. 1979 in Lienz, lebt in St. Jakob im Lesachtal, Kärnten; Berufsausbildung als Zimmermann, Landesskilehrer, Raftingguide, Canyoning-Führer, profunder Kenner der Karnischen  Alpen (auch Erstbegehungen), Westalpen-Touren (2008 Eiger-Nordwand), Julische Alpen, Südtiroler & Lienzer Dolomiten, Routen in Kroatien & Slowenien, Italien, Schweiz, Frankreich; schwierige Wiederholungen, dutzende Erstbegehungen bis VIII/IX, Autor von 3 Kletterführern (Klettern am Trog- und Rosskofel, Klettern in den Karni-schen Alpen, Klettern in den Südostalpen); „Durch meine Hobbies lernte ich der Berge lieben. Diese Faszination hat mich nicht mehr losgelassen. Mittlerweile suche ich mir immer wieder neue Linien.“

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IMG_5108e1-806x1024Stefan Lieb-Lind, geb. 2. 11. 1973 in Burghausen, Bayern, lebt in Wernberg bei Villach, Kärnten; Trailentwickler, staatl. gepr. Berg- & Skiführer, Studium der Umweltsystem-wissenschaften mit Schwerpunkt Geografie … hat freeride-hohetauern.at in Leben gerufen, er organisiert und koordi-niert das Programm von alpsolution.at. Durchquerung von Island mit Ski, auf Siebentausender in Kasachstan oder am Cerro Standhardt in Patagonien, viele neue Routen in den Hohen Tauern im Winter; Stefan hat für dieses Gebiet die Freeridemap mitdesigned. Die alpinen Schönheiten von Montenegro und Albanien hat er öfters mit Ski besucht und bietet sie auch im Pro-gramm von alpsolution.at an. Das Entdecken unbekannter Regionen, Erstbegehungen im Fels und Eis,  Biwaks im Freien und spannende Begegnungen mit den Menschen vor Ort motivieren ihn. Er hat etwa 80 Mehrseillängen-Erstbegehungen in Eis und Fels gemacht (bis 9-/M9-) und mag vor allem abgelegene, kaum bekannte Skitourenreviere. Heute arbeitet er als Entwickler von Weitwanderwegen und Mehrtagesradtouren für ein Consultingbüro und einen Reiseveranstalter, Mitautor von Führern & Karten. Mehr über Stefan: Stefan Lieb-Lind

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veraVera Marie Lindenberg † 30.12.2014, lebte in Wien und Großau an der Rax, bestieg hohe Berge auf allen Kontinen- ten, u. a. Kibo und Ruwenzori, Sajama, Osorno etc., nahm 1994 an der 1. Österr. Frauenexpedition teil, wobei sie das 2. Hochlager auf 7.000 m erreichte.
Am 10. Okt. 1940 geb. und aufgewachsen in Bielefeld/Deutschland, einen Sohn und eine Enkeltochter. Vera lebte und arbeitete sechs Jahre in der Ostschweiz und bereits zehn Jahre in Wien, bis sie die Liebe zu den Bergen entdeckte. Zuerst war Vera mit der Wandergruppe der Wirtschaftskammer Wien unterwegs, bald folgten Kletterkurse beim ÖTK und Expeditionen nach Peru und Ecuador mit Besteigungen von Huascaran und Chimborazo, dann die Ausbildung zum Lehrwart Alpin – sie war über 20 Jahre als Kletterlehre rin für den ÖTK tätig.
Im 62. Lebensjahr kletterte sie auf das Matterhorn und stieg auf den Biancograt, mit 65 auf den Montblanc mit Zeltnächtigung … Ein weiteres Hobby wurde für Vera das Laufen – 11 Marathons. Seit ihrer Pensionierung (sie arbeitete 30 Jahre in der Landesinnung Druck) hatte sie ein „Basislager“ auf einem Bauernhof angemietet mit Blick auf ihren Lieblingsberg RAX, auf dem sie mehrmals in der Woche unterwegs war. Vera ist tragi-scherweise am 30. Dezember 2014 nach kurzer schwerer Krankheit verstorben. Unbe- greiflich für alle, die noch im Sommer bei den Grenzgängen 2014 mit ihr unterwegs waren.

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Fritzi & Charly Lukan Lukan, Schwanda Mte.Cridola_DxO

Karl Lukan (12. Sept. 1923 – 13. Juni 2014,
Rückblickend erweist sich der Erste Weltkrieg als die Urkatastrophe sowohl des Zwanzigsten Jahrhunderts wie auch teilweise der Alpinliteratur: die war ohnedies zu großen Teilen auf einem autoritär und militaristisch gedüngten Gedankenfeld gewachsen, doch fortab konnte man den Eindruck gewinnen, Bergsteigen sei eine Art Kriegsersatz. Befüllt mit martialischer Rhetorik, Männlichkeitsund Heldenkult, rumpelte die Pathosmaschine: es wurde adlerhaft geblickt, man las von Belagerung oder Sturmangriff auf den Gipfel, von Kampf und Sieg, und der Bergtod galt als zivile und deshalb zweitklassige Form des „Heldentodes“. Zweite Schiene war ein volksdümmlicher Stadl-Humor: wie sich eben der überlegene Städter den Landbewoh-ner ausmalte – eine mittlerweile ebenso unterirdische Sichtweise. Zu den raren Ausnahmen dieser Ära zählten Heinrich Krempel mit seinen „Apachenfahrten“, dann Walter Schmidkunz, der zusätzlich als Ghostwriter mit seinem Stil manch anderes zeitgenössische Werk auflockerte, sowie Fritz Hinterberger (Roßkuppenkante!), der mit seinem Anekdotenband „Verwegenes Spiel“ als ein Vorgänger Lukans gelten kann.
„Kleiner Mensch auf großen Bergen“: Als „Charly“ Lukan 1952 sein erstes alpines Erlebnisbuch veröffentlichte, bedeutete dies offensichtlich eine herbeigesehnte literarische Wende. Allgemein war der Bedarf an Heldentum gedeckt: So hatten von seiner Schulklasse nur er und zwei Mitschüler den Krieg überlebt … Man war noch immer dabei, den Schutt der Weltkatastrophe zu beseitigen – es konnte eigentlich nur mehr aufwärts gehen! Und das Lachen, auf das man schon fast vergessen hatte, brach auch aus seinen Texten hervor. Aus heutiger Sicht freilich wirkt es zuweilen wie das bittere Lachen des Bajazzo … Dem Erfolg dieses Erstlings folgten „Tausend Gipfel und noch mehr“, „Wilde Gesellen, vom Sturmwind umweht“, „Bergzigeuner“ – Bergbücher, in denen auf einmal anstelle von verbissenen Kletterrobotern reale Menschenwesen agierten, die das Lebensgefühl ihrer Zeit und nebenbei die Außenansicht der Wiener Bergsteigerszene der Fünfziger- bis Siebzigerjahre abbildeten. Mittlerweile ist auch diese Epoche längst Vergangenheit, wird wohl dereinst als eine „gute alte Zeit“ etikettiert und angesichts neuer Weltprobleme als naive Weltflucht gescholten werden … Die folgende Generation jedenfalls befüllte sich mit Marcuse, Marx und Müsli (sowie allerlei wundersamen Substanzen …) und bemühte sich, philosophisch unterfüttert, auf revolutionär, antiautoritär und cool zu machen … Doch Lukan blieb lange stilprägend: „Alpinschreiber in Wien – das ist ein hartes Brot,“ klagte einst ein gemeinsamer Freund – „… was du auf dem Gebiet auch beginnst – der Charly ist längst dagewesen!“ Der hat nämlich stets eine Witterung für neue Themenfelder bewiesen. Wer etwa die klassische Alpinliteratur nach griffigen Zitaten und originellen „Wuchteln“ durchsucht: in seinem Anekdotenbändchen „Hauptsach‘ man weiß, wo der Berg steht“ hat er die besten davon längst herausdestilliert … Mit Büchern war er sein ganzes Leben hindurch verbunden. Sein Berufsbild „Buchhersteller“ stand für eine einst hochkomplexe Tätigkeit: nämlich, aus einem Pack Manuskriptseiten und einer Schachtel Bilder (die oft bei Agenturen zusammengesucht oder extra angefertigt werden mussten) ein Produkt namens „Buch“ zu gestalten und umfangsmäßig zu berechnen, ohne das eherne Korsett einer vorgegebenen Bogenanzahl zu durchbrechen. Mit einem durchschnittlichen Layout-Programm schafft das jetzt ein begabter AHS-Schüler … Lukan konnte zurückblicken auf ein reich erfülltes Bergsteigerdasein: als – selbstverständlich berufstätiger – Amateur, ein Gegensatz zu manchen Profis, die zuweilen wie Getriebene wirken mit ihrem Gefuchtel um mediale Klicks. Wenn schon wieder einmal der Alpinismus revolutioniert wurde mit der Erkletterung eines Zehnmeterfelsens, oder ein Achttausender im Retourgang erstiegen, und man des ganzen Hochglanz- oder virtuellen Zaubers langsam überdrüssig ist – dann lasse man sich von ihm in die Zeit vor dem Alpinkommerz entführen, als das Bergsteigen noch nicht von Versicherungsanstalten auf soziale Verträglichkeit abgeklopft wurde und in gewisser Weise exklusiv und fast subversiv gewesen ist. Dies kommt in seinem letzten Bergbuch zum Ausdruck: „Ein Stück vom Himmel“, Untertitel: „Als das Bergsteigen noch wild und gefährlich war“. Die gärende Munterkeit seiner Anfangsphase hatte sich zu einer vollmundigen Spätlese gewandelt. Er beschreibt eine Welt, die sich heutige Bergkonsumenten kaum vorstellen können: von den dürftigen materiellen Umständen bis zur leicht schrägen sozialen Position des Bergsteigers in seinem Alltagsumfeld. Die Bestrebungen zum Umbau großer Alpenregionen in einen Freizeitpark (gibt es eigentlich auch einen Arbeitszeitpark?) befanden sich erst in ihren Uranfängen, die Ausrüstung wirkt geradezu selbstmörderisch, Rettungsmöglichkeiten waren sehr beschränkt, hingegen galten Eigenverantwortung und Erfahrung als selbstverständliche und daher unerwähnte Grundvoraussetzungen. Eines fällt bei der Lektüre dieses Buches auf: auch wenn Lukan manche absonderliche Zeiterscheinung mit milder ironischer Distanz betrachtete, verfiel er nie in den Jammerton vieler Altgewordener, die ihre Leistungen als den Schlussstein im Gebäude des Alpinismus sehen wollten.
Als Alpinist war er ein umfassend kenntnisreicher „ostwest-alpiner Bildungsbürger“, trotz klassischer Viertausenderbesteigungen in erster Linie aber ein begeisterter Felskletterer und ausgewiesener Dolomiten-Fan: Solleder-Route in der Civettawand, Comici an der Großen Zinne, die damals fast unbekannte Agner-Nordkante – dies besaß Anfang der Fünfzigerjahre noch einen besonderen Stellenwert. Um die Teilnahme an einer Expedition, den Ritterschlag der damaligen Alpinisten, hat er sich nie bemüht. Hingegen erfüllte er sich anlässlich seiner Pensionierung mit seiner Frau Fritzi den langgehegten Wunsch einer Expedition besonderer Art, in Anlehnung an Seume’s berühmten „Spaziergang nach Syrakus“ von 1802 schlicht „Alpen-Spaziergang“ bezeichnet: mit einem „Mugel“-Rucksack per Straßenbahn nach Rodaun am Wiener Stadtrand – und dann den Rest des Alpenbogens zu Fuß weiter, ein halbes Jahr lang, bis nach Nizza am Mittelmeer … Für die Lebensphase „Wenn die Wände steiler werden“ (die hat er natürlich auch zu einem Buch verarbeitet!), hat er beizeiten ein zweites intellektuelles Standbein trainiert, denn: „wenns‘d immer nur kletterst, wirst‘ langsam deppert“, und in der vor-digitalen Zeit zahllose Stunden mit Recherchen in der Nationalbibliothek zugebracht. In sehr persönlichem Stil: vorerst auf seinem Bronzezeit-Fahrrad zur Mizzi-Langer-Wand im südlichen Wienerwald, wo er den langen Quergang in ein, zwei Metern Höhe bis zum Fingerkrampf kletterte, und danach in die Innenstadt radelte: „1010 Wien, Heldenplatz“ – zur Eingangspforte in die Kathedrale der Bücherwürmer, als einer der letzten dieser aussterbenden Spezies …
Derzeit von ansprechenden TV-Dokumentationen verwöhnt, kann man sich kaum mehr vorstellen, mit welcher Staubschicht noch vor nicht allzu langer Zeit die Themenfelder Historie, Frühgeschichte oder Heimatkunde bedeckt waren. Einer um sich selbst kreisenden Expertensekte erschien es vermutlich unseriös, derlei Stoff allgemein lesbar zu behandeln, als Qualitätsnachweis galten eine möglichst große Anzahl Fußnoten, Quellenangaben und penible Zitierregeln, und dem Begriff „populärwissenschaftlich“ wurde herablassend der Mantel des Gauklerhaften umgehängt … Auch hier hat Lukan zur Entlüftung ein Fenster aufgestoßen und sein profundes alpinund kulturhistorisches Wissen für eine breite Leserschaft aufbereitet, begonnen mit „Alpenwanderungen in die Vorzeit“ (1965). Das Volk der Etrusker hat er als einer der Ersten im deutschsprachigen Raum bekannt gemacht, und sich der verborgenen Ebene unter unserer heimatlichen Landschaft als Amateurarchäologe zugewandt – vor allem alten, zumeist vorchristlichen Kultstätten, vergessenen oder mittlerweile kommerzialisierten Volksbräuchen, sowie bereits als historisch bewerteten Zeugnissen aus der Frühzeit der Industrialisierung. Unser Bergsteiger-Freundeskreis hat jedes Jahr ein verlängertes Radl-Wochenende unternommen, im Gepäck immer ein einschlägiges Lukan-Werk, etwa sein Waldviertel- oder Weinviertelbuch, das uns zu bereichernden Besonderheiten oder Kuriositäten geleitet hat.
Die „spannenden Zeiten“ einer derzeit gern zitierten chinesischen Verwünschung hat seine Generation zur Genüge erleben müssen – ein Ansatz, um auf sein allerletztes Buch (2013) einzugehen: „Zwischen Freundschaft, Vergelt’s Gott und Heil Hitler“. Das ist erlebte Zeitgeschichte in einer Wiener Vorstadtgasse, zwischen den Dreißiger- und Sechzigerjahren, aus dem Blickwinkel des kleinen Mannes, ohne erhobenen Historiker-finger. Und im Gegensatz zum holzschnitthaften Schwarzweiß zeitgenössischer Rechthaber besteht sein Genregemälde aus vielerlei bunten Nuancen. All die aus dem „Herrn Karl“ und dem „Bockerer“ vertrauten Gestalten sind hier detailscharf gezeichnet: Wiener Originale, bösartige G’fraster, bigotte Heuchler und Opportunisten stehen neben schlichter Würde und selbstverständlich gelebter Menschlichkeit – wie im wirklichen Leben. Vor der Folie dieser festgefügten Kleinbürgerhölle lässt sich der Kontrast zum damals als beinahe rebellisch angesehenen Bergsteigen als willkom-mener Ausweg für Junge leichter erkennen. Er hat eine Unmenge Aufsätze und insgesamt sagenhafte sechsundfünfzig (!) Bücher veröffentlicht, was die naive, nicht auszurottende Vorstellung nährt, davon müsse man ja stinkreich werden! Dies trifft aber meist nur zu, wenn der Autor als Politclown, Millionenbetrüger oder abgetakelter C-Promi von einem Publicity-Sog getragen wird. Da Lukan bekanntlich mit keiner dieser Fähigkeiten aufwarten konnte, blieb seine Lebensführung eher bescheiden, was ihn aber kaum störte. Ein Satz, obwohl ziemlich abgebraucht, darf hier nicht fehlen: jener von der starken Frau, die hinter jedem erfolgreichen Mann steht. Seine Fritzi hat die drei Söhne großgezogen, hat alle seine unzähligen Bleistifttexte in die Schreibmaschine getippt, wurde ebenfalls heimatkundliche Expertin, und war vor allem – selber hochgradig „bergnarrisch“ – eine gleichwertige Gefährtin auf unzähligen Bergtouren.
Das Goldene Ehrenzeichen der Republik, das ihm für seine Verdienste im Kultursektor verliehen wurde, hat er fast wie eine Peinlichkeit geheim gehalten. Dabei wäre ihm ohnehin für seine lausbübische Attitüde in Form des practical joke vor allem der „Orden wider den tierischen Ernst“ zugestanden. Wie der legendäre Pfaff vom Kahlenberg, dessen orientalisches Pendant Nasreddin Hodscha, und deren gemeinsamer Cousin Till Eulenspiegel, war er gerne ein Urheber deftiger Späße. In posthumen Würdigungen wurde Lukan gelegentlich als „alpiner Karl May“ bezeichnet, was eigentlich irreführend und allenfalls für seine Produktivität zutreffend ist. Er schrieb (und dachte vermutlich bereits) in Form von Geschichten, an denen das Wunderbare ist, dass sie – im Gegensatz zu jenen des Erfinders von Winnetou und dessen Blutsbruders „Scharlie“ – alle der Realität entsprangen, selbst die unwahrscheinlichsten! Sportliche Erfolge und alpine Rekorde erweisen sich meist als flüchtig und verwelken allzu schnell: doch seit Anbeginn jeder menschlichen Kultur sind es die Geschichten – mündlich und später schriftlich weitergegeben – welche Bestand haben und berühren. Charly Lukan hat mit seinen Vorträgen und Büchern zahllosen Menschen aller Schichten den Alpinismus und dessen ideelle Werte nahegebracht. Obwohl wir Bergsteiger nicht strikt die Ansicht vertreten, mit unserer „Eroberung des Nutzlosen“ den Schlüssel zur einzig richtigen Lebenseinstellung zu besitzen (na ja – ein bisschen schon…), sind wir uns über deren bereichernde Aspekte einig. Und wenn es jemand schafft, diese – gleichwohl immateriellen – persönlich eroberten Schätze mit vielen anderen Menschen zu teilen, ist dieses Teilen wohl das Wertvollste.
Adi Mokrejs
Mehr dazu: Lukan

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Alek Lwow;