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„And the Oscar goes to: Heinz Mariacher”

Hollywood ehrt seine Schauspieler mit dem „Oscar“, die besten Alpinisten unserer Zeit werden mit dem Paul Preuss- Preis gewürdigt: diesen bekam jetzt der Tiroler Heinz Mariacher auf Schloss Sigmundskron bei Bozen von Georg Bachler, Obmann der Internationalen Paul Gesellschaft, verliehen und Reinhold Messner hielt die Laudatio.

Paul Preuss Preisverleihung 2020 Im Messner Mountain Museum Sigmundskron 25. August 2020 Foto: Furtner Im Bild

„Das Können ist des Dürfens Maß“ war der Leitspruch des aus Altaussee stammenden Klettergenies Paul Preuss. Ihm gelangen zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Toten Gebirge, im Gesäuse und in den Dolomiten herausragende Routen, die vom bewussten Verzicht auf möglichst alle technischen Hilfsmittel geprägt waren. Zu Recht wird Preuss als einer der Väter des modernen Freikletterns gesehen. Ihm zu Ehren wird seit 2013 einmal pro Jahr von einer Jury der Internationalen Paul Preuss Gesellschaft (IPPG) die Auszeichnung an Alpinisten verliehen, die ebenfalls „by fair means“ in ihrem Bergsteigerleben Außergewöhnliches geschafft haben und somit als Vorbilder gelten.
Der Zugang des mittlerweile 64-jährigen Heinz Mariacher, dem nunmehr achten Preisträger, entspricht genau dieser Grundhaltung: Für Furore sorgte der Tiroler vor allem mit seiner Route „Moderne Zeiten“, die im oberen siebten Schwierigkeitsgrad über 1.000 Meter durch die Südwand der Marmolada verläuft. Mit deren Begehung, die er im Jahr 1982 gemeinsam mit seiner Frau Luisa Iovane durchführte, war es ihm gelungen, das Sportklettern in große Wände zu übertragen. „Jede junge Generation versucht das wahr zu machen, was die Generation zuvor nicht schaffen konnte. Das Unmögliche von gestern muss zum Möglichen werden“, sagte Gastgeber Reinhold Messner, 2013 erster Paul Preuss-Preisträger, bei seiner Laudatio auf der Felsenbühne von Schloß Sigmundskron nahe Bozen. Heinz Mariacher habe einen Stil eingeleitet, soweit als möglich alles frei zu klettern und sei damit Paul Preuss sehr, sehr nahe gekommen. In seiner Zeit war er der Paul Preuss-Nachfolger, so Messner. Und: Alle jene,
die sich an Paul Preuss und seinen Preisträgern orientieren, werden dem traditionellen Bergsteigen nicht nur gerecht, sie tragen es auch weiter.
Heinz Mariacher meinte zu seiner Ehrung bescheiden: „Preise hatten für mich nie eine besondere Bedeutung, aber es ist eine Ehre, mit Paul Preuß in Verbindung gebracht zu werden.“ Dazu passt sein Solo-Abenteuer als Elfjähriger im Rofan: „…pure Begeisterung für Felswände und kompromissloses Akzeptieren einer Herausforderung (V+), ohne jegliche Kletterausrüstung oder alpinhistorisches Wissen. Später, in den 1970er-Jahren als gereifter Kletterer, liebte ich spontane Alleinbegehungen, am liebsten ohne vorherige Kenntnis der Routen. Dabei praktizierte ich das Konzept des Auf- und Abkletterns, nicht weil ich Preuss gelesen hatte, sondern weil es vor allem im Frühjahr das beste System war, um verschneite Abstiege zu vermeiden.“
Welche Bedeutung diese Auszeichnung hat, zeigte sich auch an den Gästen, die nach Sigmundskron gekommen waren: Das Treffen sei ein „alpinhistorisches Ereignis“, so Georg Bachler, Achttausender-Besteiger und Obmann der Internationalen Paul Preuss Gesellschaft. Sein Vorgänger Lutz Maurer, erfahrener Fernsehjournalist, Gründungs-obmann und Initiator dieses Preises, betonte später: „Ich habe noch nie eine solche Ansammlung von hochrangigen Alpinisten gesehen wie hier.“
So war die Preisübergabe an Heinz Mariacher auch ein Who-is-Who des Bergsports, das größte Treffen von alpinen „Stars“ aus drei Generationen: alpine Legenden wie Wolfgang Nairz, Gabi & Sigi Hupfauer, Hanns und Lilo Schell, Oswald Ölz und Raimund Margreiter waren genauso vor Ort wie Christoph Hainz, Darshano L. Rieser, Thomas und Alexander Huber, Hans & Beat Kammerlander, Hanspeter Eisendle, Simon Gietl, Heinz Zak, Florian Buhl, Dani Arnold und noch viele andere.                                                                                                                                                        Klaus Haselböck

Die bisherigen Paul-Preuß-Preisträger:
2013: Reinhold Messner
2014: Hanspeter Eisendle
2015: Albert Precht (†)
2016: Hansjörg Auer (†)
2017: Alexander Huber
2018: Beat Kammerlander
2019: Bernd Arnold
2020: Heinz Mariacher

Heinz Mariacher, geb. am 4. Oktober 1955 in Wörgl, Tirol, begann mit elf Jahren mit dem Klettern, durchstieg solo die Ostwand der Rofanspitze, lernte den Beruf des Vermessungstechnikers und absolvierte die Bergführerausbildung. In den 1970er Jahren gelangen ihm schwierige alpine Solobegehungen: 1974 die Nordwände der Westlichen (Cassin; VI/A0) und der Großen Zinne (Comici; VII), die Vinatzer (VI+) an der Marmolada-Südwand im Alleingang und größtenteils frei. 1977 eröffnete er die spartanisch abgesicherte Route Charlie Chaplin (VI+) an der Nordwand der Lalidererspitze im Karwendel. 1979 kletterte er die Route Vogelwild (VII-), 1980 Abrakadabra (VII) und 1982 Moderne Zeiten (VII/VII+) an der Südwand der Marmolada. 1978 gelang ihm die zweite Begehung des Heiligkreuzkofel-Mittelpfeilers, für Heinz eine wichtige Tour im alpinen Freikletter-Stil, war doch diese Route von Reinhold Messner (noch mit Hakenbenützung zur Fortbewegung) erstbegangen worden.
Nachdem er 1979 an der Marmolata den „Confortoriss“ free solo erklettert hatte, sagte Mariacher, auf sich allein gestellt ins Unbekannte zu klettern, sei durch nichts zu überbieten, und das Seil durch Abklettern zu ersetzen eine logische und natürliche Entwicklung, tief überzeugt, dass die Zukunft des Kletterns seilfrei sein würde.
1986 gelang ihm die Erstbegehung von „Tempi Modernissimi“ (IX-/IX) an der Marmolada. 1987 setzte Heinz Mariacher mit der ersten Rotpunktbegehung vom „Weg durch den Fisch“ (VIII+/IX-) der Marmolada-Südwand einen Meilenstein im Freiklettern und festigte seinen Ruf als Vordenker des modernen alpinen Sportkletterns, da er bei der Absicherung dieser langen, schwierigen und gefährlichen Route auf Bohrhaken völlig verzichtete. Damit revolutionierte er das alpine Sportklettern und schraubte die Leistungsgrenze im Klettern ohne künstliche Hilfsmittel in damals nicht für möglich gehaltene Dimensionen.
In den 1980er Jahren widmete sich Heinz Mariacher auch dem modernen Sportklettern, entwickelte den nach ihm benannten Reibungskletterschuh mit der Firma LaSportiva und trug einen wesentlichen Beitrag zur Erschließung der Klettergärten rund um Arco bei, heute eines der beliebtesten Sportklettergebiete. 1986 eröffnete er mit Kendo (8a+) im Val San Nicolò die wohl erste Kletterroute Italiens im 10ten Schwierigkeitsgrad. Seine schwierigsten, von ihm erstbegangenen Routen erreichen 8b+.

Heinz_und_Luisa
Heinz Mariacher lebt heute mit seiner Lebensgefährtin, der ebenfalls erfolgreichen Kletterin Luisa Iovane, am Karerpass in Südtirol und arbeitet als Produktmanager für
ein großes Sportartikelunternehmen.  Webtipp: www.heinzmariacher.com

Dr. Paul Preuss (1886-1913) aus Altaussee im steirischen Salzkammergut, Sohn jüdischer Eltern, verzichtete bewusst auf jegliche Sicherungs- und Hilfsmittel, sogar das Abseilen lehnte er ab. Binnen weniger Jahre gelangen ihm 1200 Fels-, Ski- und Hochtouren, davon 150 Erstbegehungen und 300 Alleingänge in den Alpen. Am 14. Oktober 1913 wurde er tot unter der Nordkante des Mandlkogels im Gosaukamm gefunden.

Weitere Infos zu Paul Preuss und den Preisträgern: www.paulpreuss-gesellschaft.at
Fotos: Alois Furtner, die wir dankenswerterweise honorarfrei verwenden dürfen.